Jetzt habe ich mich selbst wieder ertappt! «Wie sind die Kinder betreut?» frage ich die Bewerberin, eine 2-fache Mutter. Deutschsprachige Kandidat*innen reagieren vorbereitet auf diese Frage. Aber Frauen aus anderen Ländern sind zum Teil irritiert. Ob das denn meine Sache wäre, fragte kürzlich eine Amerikanerin zurück. Gut gemacht, denke ich, schliesslich geht mich das wirklich nichts an.
Ich entschuldige mich und rechtfertige: Mein Kunde würde mich danach fragen und ich versuche mich entsprechend vorzubereiten.
Seither beobachte ich mich und auch meine Kunden genauer. Leider ist es wirklich so, dass Frauen, im gebärfähigen Alter und speziell Mütter sich im Interview anderen Fragen konfrontiert sehen als Ihre männlichen Mitbewerber. Bei der gleichen Position und der gleichen Firma!
Die neugierigen Fragen können geschickt verdeckt werden oder werden unverblümt thematisiert. In Handbüchern steht, diese Fragen sind verboten. Aber wenn Sie nicht antworten, ist das auch eine Antwort.
Beispiele gefällig?
- Sie wollen 100% arbeiten? Daran geknüpft: Wer betreut die Kinder, wie alt sind die Kinder… Diese Frage kommt garantiert, wenn Frauen die Kinder samt Geburtsjahr in den Lebenslauf schreiben.
Mein Tipp: Probieren Sie CV Varianten aus, ohne die Kinder anzugeben.
- Sie sind verheiratet, haben Sie Kinder? oder Variante: Planen oder möchten sie Kinder?
Mein Tipp: Ja ich bin verheiratet, ja ich möchte/habe Kinder und ja ich möchte arbeiten. Ich kann auf die Unterstützung meiner Familie und der öffentlichen Institutionen zählen und hoffe auf Support durch den Arbeitgeber.
- Sie leben in Partnerschaft? Pause…..hier wird gewartet ob freiwillig Infos zu privaten Zukunftsplänen fliessen.
Mein Tipp: Pause zurück. Antwort: Das ist richtig. Punkt. Pause!
- Was macht Ihr Mann beruflich?
Jetzt echt: Wird jemals ein Mann danach gefragt, was seine Frau beruflich macht? Dahinter versteckt sich die Frage, ob der Mann viel beruflich abwesend ist (Support bei Kinderbetreuung) oder ob dieser eventuell ins Ausland abberufen werden könnte. Wo Frau dann nachreisen müsste.
- Bei Kandidatinnen aus dem Ausland: Ihre Familie lebt nicht in der Schweiz?
Antwort: Ähm doch, ich mit meinen Mann und meinen Kindern. Sie meinen jetzt meine Eltern und Geschwister? Nein die leben nicht hier. Denken Sie dann bitte nicht laut: «Was genau hatte das jetzt mit dem Job zu tun?»
Ich stelle mir manchmal vor, wie Interviewer reagieren würden, wenn eine mutige Kandidatin einfach mal klar sagt: «Ich bin unfruchtbar», «meine Familienplanung ist abgeschlossen» oder: «Ich trenne mich gerade von meinem Mann» und neu: «Mein Mann führt unseren Haushalt und kocht für mich»
Speziell bei gut ausgebildeten und ehrgeizigen Frauen mit Führungsanspruch wird auch gerne hinter vorgehaltener Hand getuschelt:
- Die hat die Hosen an
- Die hat Haare auf den Zähnen
- Die kann ganz ungemütlich werden
- Die hat gerne recht
- Das ist ne Powerfrau, wobei dies meist positiv gemeint ist, aber trotzdem.
- Kennen Sie einen Powermann?
Oder hat sich jemand bei einem Mann in leitender Position schon mal über Haare auf den Zähnen geäussert? Eben…Bitte antworten sie beim nächsten Mal ruhig, mutig, geradlinig und klar. Und machen Sie damit Eindruck.